Samstag 1. Juni 2013 Ramallosa – Vigo 20km 08:00-15:00

Heute verläuft der Weg über Land mit Blicken auf den Fjord von Vigo und die Cies-Inseln. Inseln der Götter wurden sie von den Römern genannt und heute gehören sie zum Nationalpark Islas Atlánticas mit limitierten Besuchsmöglichkeiten. Ab und zu komme ich an Pazos vorbei. Das waren oft Häuser von früheren grossen Landgütern mit herrschaftlichem Hauptgebäude, Wohnungen für das Gesinde, Wagenschuppen, Getreidespeicher, Stallungen und oft mit Kapelle. Bald schon erreiche ich die Hafenstadt Vigo, die grösste Stadt Galiziens mit etwa einer halben Million Einwohnern und mit der ältesten Zeitung Spaniens. An diesem Abend, an dem ich den Hauptstrand Playa Samil, die Altstadt, die Kathedrale, den Hafen, das keltische Dorf und die alte Festung besuchte, prägte ein wichtiges Fussballspiel Celta de Vigo gegen Espanyol eine spezielle Atmosphäre in der ganzen Stadt.

Sonntag 2. Juni 2013 Vigo – Redondela 14km 09:45-18:00

Am Morgen besichtigte ich das nahe am Weg liegende Kloster Monasterio de la Visitación de las Salesas Reales aus dem Jahre 1942 in rauem ungeschliffenen Granit mit sehr rustikaler Ausdruckskraft. Nachher wähle ich von zwei Wegvarianten diejenige über Albagueira auf 360 MüM und erreiche damit den höchsten Punkt meines ganzen Weges mit einer herrlichen Aussicht auf den Fjord von Vigo. Am Ortsanfang von meinem Tagesziel werde ich von einer Familie spontan eingeladen, den eigenen lokalen Wein zu kosten getreu dem Spruch: Pan y Vino – buen Camino. Er schmeckte mir sehr! In Redondela übernachte ich in der zentral gelegenen Herberge. Heute ist der letzte Tag vom Festa da Coca und im Stadtpark spielt das bekannte Orquesta Ismael Melodien für jung und alt. Da bleibt in diesem Ort niemand zuhause!

Montag 3. Juni 2013 Redondela – Pontevedra 18km 08:20-16:20

Traf ich von Porto bis Redondela während der ganzen Zeit nur einen Pilger, so sind es jetzt doch täglich mehrere und an prägnanten Etappenorten treffen in der Herberge etwa vierzig Leute aus allen Ländern zusammen. Der Weg verlässt nun immer mehr die Küste und führt über leicht gewelltes Land, durch Wälder und durch landwirtschaftlich genutzte Gebiete. Der erste grössere Ort Arcade ist der „Hauptort“ der Austernfischerei. Am Ortsausgang geht’s über die Puente Sampayo, wo 1809 die Spanier die Franzosen zurückdrängten und zum definitiven Auszug aus Galizien zwangen. Am Abend, bevor ich wieder zur Herberge zurückkehre, schlendere ich durch Pontevedra mit der Kirche der jungfräulichen Pilgerin, dem Kloster San Francisco, der Ruine der Kirche San Domingos und der sehr malerischen und gemütlichen Altstadt.

Dienstag 4. Juni 2013 Pontevedra – Caldas de Reyes 23km 07:30-16:00

Über eine ältere Brücke über den Fluss Lérez verlasse ich die Stadt und schon bald führt der Weg vorbei an der Kirche Santa María de Alba aus dem 12.Jh., im romanischen Stil aus Granit gebaut. Weiter wandere durch Wälder, über Hügel und durch kleine Dörfer, bis ich in Caldas de Reyes ankomme. Der Ort ist bekannt für seine warmen Quellen mit heilendem, mineralischem Wasser und für den grössten Goldfund auf der iberischen Halbinsel aus der keltischen Zeit. Selbstverständlich geniesse auch ich ein Bad im warmen Jacuzzi und beschliesse den Abend bei einem Glas Albariño. Diese Rebe, angeblich mit dem Riesling verwandt, heisst übersetzt „die kleine Weisse vom Rhein“ und der Legende nach wurde sie zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert von Mönchen aus Deutschland oder Frankreich über den Jakobsweg nach Galicien gebracht.

Mittwoch 5. Juni 2013 Caldas de Reyes – Pontecesures 18km 08:30-15:00

Ich möchte am Freitagmittag in Santiago sein und deshalb kann ich die Strecke, die ich in zwei Tagen laufen könnte, auf drei Tage verteilen. Auch heute verläuft der Weg wieder durch herrlich schöne Gegenden und der Ausspruch vom Maler Otto Dix kommt mir wieder einmal in den Sinn: „Zum Kotzen schön“ was damals bedeutete „kaum auszuhalten, so schön“. Da die meisten 2km weiter bis zum bekannten Padron gehen, ist in dieser Herberge heute nur noch ein weiterer Pilger da, welcher aus Südkorea stammt. Und zu meiner Überraschung spricht hier die Herbergsleiterin sogar Deutsch.

Donnerstag 6. Juni 2013 Pontecesures – Picaraña 13km 08:20-15:10

Zuerst geht es gemütlich dem Rio Sar entlang nach Padrón, von wo (vor allem vom Tal des Ortsteiles Herbón) die typischen, grünen Paprikaschoten herkommen. Diese werden in Restaurants als Pimientos de Padrón serviert und sind heute in ganz Spanien bekannt. Berühmt ist Padrón aber auch, weil hier der Apostel Jakobus an Land ging, um in Spanien zu missionieren und zufälligerweise Jahre später hier das Schiff aus Palästina mit dem Leichnam Jakobus an einem römischen Meilenstein (ein pedrón) am Ufer festmachte. Nachdem ich hier etwas verweilte und das Städtchen angesehen hatte, geht es weiter nach Iria Flavia mit der berühmten Stiftskirche, die zu den ältesten von Galizien gehört und dessen Bischof am 25. Juli 813 das Grab Jakobus entdeckte. Und schon eine Stunde später stehe ich vor dem Heiligtum der Sklaverei in Escravitude mit Türmen im Stil der Kathedrale von Santiago. Hier erfolgte vor fast 300 Jahren eine Spontanheilung und der Patient spendete als Dank seinen gesamten Besitz für den Bau. In Picaraña nächtige ich in einer der beiden Pensionen am Weg.

Freitag 7. Juni 2013 Picaraña – Santiago de Compostela 15km 07:30-11:30

Kurz nach meinem Aufbruch treffe ich auf den Eingang des Pazo do Faramello aus dem 18.Jh., zu dem auch ein riesiges Grundstück mit einer vielfältigen Flora und Fauna gehört. Die Gründerfamilie stammte aus Genua und baute hier am Rio Tinto die erste industrielle Fabrik in Galizien und stellte darin Papier her. Im letzten Jahrhundert diente das Pazo do Faramello auch als königliche Sommerresidenz von König Alfonso XIII und Prinz Louis von Bayern. Weiter führt nun der Weg oft durch Wald und trifft in Milladoiro auf einen ersten Vorort mit modernen Wohnblocks und Einkaufszentren. Bald geht es aber wieder auf einem Naturweg weiter bis zum Stadtanfang und zur grossen Strasse Avenida de Rosalia de Castro. De Castro war eine berühmte Lyrikerin, die auch vom Pazo Faramello fasziniert war und später in Iria Flavia begraben war. Auf dem Praza de Obradoiro vor der Kathedrale endet mein Weg.

Samstag 8. – Samstag 15. Juni 2013 Santiago – Finisterre – A Coruña – Santiago

Letztes Jahr hat mir der Weg nach Finisterre so gut gefallen, so dass ich ihn dieses Jahr nochmals laufen wollte. Weiter fuhr ich mit dem Bus nach A Coruña und pilgerte auf dem Camino Inglés bis nach Sigüeira, kehrte von dort wieder mit dem Bus nach Santiago zurück.

Sonntag 16. Juni 2013 Santiago de Compostela – Porto

Heute kam ich mit Bus zurück nach Porto und nach einer feinen Francesinha sehe ich mir das moderne, sehr beeindruckende Casa da Musica eines holländischen Architekten an. Ein letztes Mal schlendere ich zum Fluss Duero und über enge, verwinkelte Gassen und Treppen wieder hoch zur Kathedrale und nehme dabei Abschied von meinen Wandertagen im Nordwesten der iberischen Halbinsel. Morgen früh fliege ich mit easyJet wieder zurück nach Basel.