Mittwoch 18. März 2015 Sète – Agde 24.1 km 08:15-16:30

Während einer Stunde sage ich der Stadt entlang der Corniche langsam Adieu und habe nachher die Wahl, zehn Kilometer auf dem Fuss- und Radweg oder auf dem Strand zu gehen (wobei ich die letztere Variante wählte). Von Marseillan-Plage führt ein ruhiger Weg nach Onglous und bald zum ersten Mal zum Canal du Midi. Auf einem schmalen Treidelpfad gelange ich zu einer ersten Schleuse und weiter bis fast nach Agde. Der Ort wurde von den Griechen gegründet und zählt damit zu den ältesten am Mittelmeer. Die Gegend hatte vulkanische Tätigkeiten, wovon schwarze Strände und viele Gebäude und Denkmäler aus Basaltsteinen zeugen. Verwinkelte Gassen prägen die Altstadt, die oft auch schwarze Perle genannt wird. Das bedeutendste Denkmal ist die aus dem 9.Jh. stammende romanische Kathedrale Saint-Etienne aus Lavastein und mit architektonischen Attributen von Kirche und Festung.

Donnerstag 19. März 2015 Agde – Béziers 25.3 km 08:30-17:30

Heute geht es immer entlang des Canal du Midi und zwischendrin gibt es interessante Bauwerke zu bestaunen wie zum Beispiel kurz nach Agde die Rundschleuse mit drei Einfahrten aus verschiedenen Richtungen. Etwas weiter steht eine imposante Anlage, wo bei Bedarf nach ausgiebigen Regenfällen und Gewittern ein Fluss quer über den Kanal geleitet wird um die Verschlammung zu verhindern. Der Bootsverkehr ist heute gering doch in den Häfen werden die Mietboote für die Touristensaison bereitgestellt. Links und rechts ist Rebbau, Ackerbau und etwas Weide vorherrschend. Das Ufer säumen wunderbare Platanenalleen, doch leider sind einige Bäume krank und mussten gefällt werden. Rechts vom Kanal liegen die Orte Vias und Portiragnes. Bald erreiche ich Villeneuve-lès-Béziers mit einem kleinen schmucken Altstadtkern mit engen Gassen. Auf dem Weg nach Béziers steht eine hochziehbare Eisenbahnbrücke zur Industrieanlage von Cameron, dem Hersteller von Zubehör für Ölförderanlagen. Durch einen Park erreiche ich das Stadtzentrum und im Hotel Confort in einer ruhigen Seitenstrasse gelegen finde ich eine nette Unterkunft.

Freitag 20. März 2015 Béziers (Besichtigungstag)

Mein Stadtbummel beginnt auf der prachtvollen Allee Paul Riquet, dem Erbauer des Canal du Midi und er führt mich weiter zur Kirche de la Madeleine, zur Markthalle und zur mächtigen Kathedrale mit der herrlichen Aussicht über die unteren Stadtviertel am Fluss L'Orb. Auf dem weiteren Weg komme ich am römischen Amphitheater vorbei und gelange zur schön gelegenen Jakobskirche. Am Nachmittag bewundere ich drei Bauwerke des Canal du Midi, nämlich die gewaltige Kanalbrücke über den Fluss L'Orb, die sieben treppenartigen Schleusen von Fonséranes und das daneben später zusätzlich gebaute aber heute nicht mehr in Betrieb stehende Schiffshebewerk mit Nassförderung mittels eines Wasserkeils. Auf dem Rückweg über den Pont Vieux und die Rue Canterelles benütze ich einen Teil der über 2000 Jahre alten Strasse Via Domitia! Neben Paul Riquet ist auch Jean Moulin, der Organisator und Leiter des französischen Widerstandes im zweiten Weltkrieg eine grosse Berühmtheit dieser Stadt.

Samstag 21. März 2015 Béziers – Capestang 19.3 km 08:00-16:30

Auf dem direkten Weg erreiche ich nochmals die Schleusentreppe von Fonséranes und wandere weiter entlang dem Canal du Midi bis Gourgasses Vieille und ab da auf der Via Domitia oder Voie Domitienne über Colombiers zum Col du Malpas. Das tönt nach einer Passstrasse, ist aber nur 60 Meter hoch. Dennoch ist es ein eindrücklicher Ort. In der Nähe liegt nämlich der Étang de Montady, ein See der mittels eines Abflussstollens unter dem Col du Malpas hindurch im 13.Jh. entwässert wurde. Aber auch der Canal du Midi musste da durch und dafür wurde ein 165 Meter langer Tunnel für den Kanal gegraben. Und zu guter Letzt musste noch ein Tunnel für die Eisenbahnlinie Barcelona-Lyon da durch gegraben werden und so liegen heute unter der Via Domitia drei verschiedene Tunnels übereinander. Etwa einen Kilometer weiter liegen die sehenswerten Reste der früheren alten befestigten römisch beeinflussten Stadt Ensérune (L'Oppidum d'Ensérune). Vorher wurde der Ort von den Kelten (Galliern) besiedelt. Heute Vormittag war ich der einzige Besucher doch von Juni bis August kommen jeweils Heerscharen von Touristen. Der Weg führt mich wieder hinunter zum Canal du Midi, der sich in Bögen durch die leicht wellige Landschaft schleicht um das Niveau immer gleich zu halten. Als nächstes erreiche ich den hübschen kleinen Ort Poilhes. Nach einer Stunde nähere ich mich Capestang mit der mächtigen, schon von weitem sichtbaren Stiftskirche Saint-Étienne aus dem 13.Jh. und mit dem 43 Meter hohen Glockenturm. Auf dem Platz davor wurden am 9. Juni 1944 178 Männer eingesammelt und nach Deutschland deportiert.

Sonntag 22. März 2015 Capestang – Argeliers 16.8 km 09:00-15:45

Heute gibt es einen gemütlichen Sonntagspaziergang, zuerst durch den Markt und dann vorbei am Schloss aus dem 14.Jh., das den Erzbischöfen von Narbonne als Zweitwohnungssitz diente. Am Hafen verabschiede ich mich vom Ort und wandere nochmals einen Tag Canal du Midi entlang. Stattliche Weingüter und viele Rebflächen zeugen vom vorherrschenden Weinbau. Heute überschreite ich die Departementsgrenze zwischen Hérault und Aude. In Argeliers, meinem Tagesziel lerne ich an Schautafeln einiges über die Winzerrebellion im Languedoc. Überproduktion, billiger Import aus Nordafrika und Zuckerzugabe ruinierten die Einkünfte aus dem Rebbau und führten zu einem grossen Elend. Und hier in diesem Ort wurde nämlich Marcelin Albert, der Revoltenanführer der Weinbauern geboren, der 1907 den Widerstand gegen die Weinpanscherei anführte. Von anfänglich 300 Demonstranten wuchs die Bewegung innerhalb drei Monaten auf über 600'000 am Schluss in Montpellier. Sogar die Mehrheit der Soldaten eines angesehenen Regimentes der leichten Infanterie, die die Revolte hätten niederschlagen sollen, sympathisierten mit den Winzern und legten die Waffen nieder. Im Herbst wurde das neue Gesetz gegen den Betrug in der Weinherstellung erlassen.

Montag 23. März 2015 Argeliers – Narbonne 21.4 km 08:30-15:45

Nach einer guten Stunde sage ich dem Canal du Midi, der weiter nach Carcassonne führt, adieu. Mein Weg führt nun entlang eines Verbindungskanals und nach der Querung des Flusses Aude entlang des Canal de la Robine in Richtung Narbonne. Die beiden Kanäle wurden etwa 100 Jahre nach dem Canal du Midi gebaut damit auch Narbonne vom Handel auf den Wasserwegen von Toulouse profitieren konnte. Unterwegs direkt am Verbindungskanal streife ich Sallèles-d’Aude, ein Ort mit langer Töpfertradition wegen den nahen Tonvorkommen und der wie geschaffen ist für eine Pause. Die nächste Schleuse ist jene von Gailhousty, die 1770 von Vauban erbaut wurde. Sie hat eine ganze Reihe von Funktionen: zwei Schleusen, ein Trockendock, die ehemalige Schleusenwärterwohnung, das früherere Amt für die Verwaltung aller Wasserwege Frankreichs und ein Wasserwehr mit 15 Ventilen. Hier hätte ein Teil des Wassers des Flusses Aude zum Étang de Capestang geleitet werden sollen um dessen Austrocknung zu begegnen; wegen der Revolution wurden die Arbeiten unterbrochen und nie vollendet. Im Laufe des Nachmittags nähere ich mich nun langsam Narbonne, wo die hohe Kathedrale schon von weitem grüsst. Hier mache ich einen Abstecher mit dem Zug ins etwa 60 Kilometer entfernte Carcassonne, das ich morgen besichtigen möchte. Narbonne muss warten!

Dienstag 24. März 2015 Carcassonne (Besichtigungstag)

Meine Herberge liegt mitten in der im 19.Jh. restaurierten mittelalterlichen Stadt, die keinen Mangel an Restaurants und Souvenirläden aufweist. Doch zuerst reizt mich eine Besichtigung der imposanten Stadttore, der Befestigungsmauern und der Burg sowie anschliessend die frühere Kathedrale Saint-Nazaire. Am Nachmittag schleuderte ich durch die untere Stadt. Diese ist erst aufgeblüht nachdem Roussillon vom Königreich Aragonien an Frankreich gefallen ist und die Festungsstadt ihre Funktion zur Bewachung der Grenze deswegen verloren hatte. Gegründet wurde die Stadt von den Römern; besiedelt war der Ort aber schon 500 Jahre früher. Westgoten, Araber, Franken, nachher verschiedene Fürsten, Grafen und der französische König wechselten als Eigentümer. Carcassonne gehörte einst zu den Hauptstützpunkten der Katharer und war Ziel des Albigenserkreuzzuges, bei dem etwa vierhundert Menschen verbrannt oder gehängt wurden. Bereits neun Tage zuvor wurde Béziers in Brand gesteckt und eingeäschert und unter dem Befehl: „Tötet sie alle! Gott kennt die Seinen schon“ etwa 20‘000 Menschen getötet. Unter dem Kreuz war alles erlaubt und es musste nicht einmal ein Mindestmass an mittelalterlicher Kriegsordnung eingehalten werden.